Anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen veröffentlicht die Münsteraner Volkszeitung eine Artikelreihe, in der sich verschiedene Hilfseinrichtungen für gewaltbetroffene Frauen vorstellen. Heute, am Mittwoch, den 27. November 2024, gibt unsere Kollegin Larissa einen kurzen Einblick in die Arbeit des Frauenhaus Rheine.
Ein Blick hinter die Kulissen: ein Tag im Frauenhaus Rheine.
Rheine. Viele Menschen kennen das Konzept eines Frauenhauses: Es ist eine Zufluchtsstätte für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind. So weit, so gut. Doch wie geht es weiter? Unsere Kollegin Larissa hospitierte einen Tag bei den Kolleginnen vor Ort und ergatterte einen Blick hinter die täglichen Kulissen des Frauenhaus Rheine:
Es ist Dienstagmorgen, 9 Uhr. Ich klingle an der Tür. Dass ich hier richtig bin, weiß ich nur, weil meine Kolleginnen mir die Adresse durchgegeben haben. Ein Schild oder einen Hinweis auf das, was sich hinter diesen Mauern befindet, gibt es nämlich nicht, denn das Frauenhaus Rheine ist anonym. Das heißt, die Anschrift ist aus Sicherheitsgründen geheim.
Im Frauenhaus Rheine leben zurzeit sieben Frauen, ein Platz ist frei. Dass ein Zimmer unbelegt ist, passiert nicht häufig und hält fast nie auch nur einen Tag lang an. Wussten Sie, dass jede 3. Frau mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt durch ihren (Ex-)Partner erfährt? Entsprechend groß ist die Nachfrage nach Schutzplätzen, auch hier in Rheine. Bundesweit fehlen sogar mehr als 14.000 Plätze.
Eine der Frauen, die zurzeit im Frauenhaus Rheine lebt, ist Alina. Gemeinsam mit einer Kollegin darf ich sie heute zur Nachuntersuchung ihres Sohnes begleiten. Moritz kam erst vor wenigen Wochen zur Welt. Als Alina schwanger wurde, war ihr sofort klar, dass sie ihr Kind vor seinem gewalttätigen Vater beschützen muss. Sie verließ ihn und fand Zuflucht im Frauenhaus. Ihr Ex fragt dauerhaft bei Familie und Freunden nach ihr und ihrem Sohn, erzählt Alina im Wartezimmer. Doch für sie steht fest: Er wird Moritz nicht kennenlernen. Er soll ihm nicht antun können, was er ihr angetan hat. Was mich am meisten an Alinas Situation beeindruckt: Sie ist noch sehr jung und trotzdem meistert sie ihre Situation mit einer Stärke, von der viele nur träumen. Dazu bekommt sie wertvolle Unterstützung von den anderen Frauen im Haus – Mitarbeiterinnen wie Bewohnerinnen.
So wie Alina zu wichtigen Arztbesuchen begleitet wird, erhält auch Helena passgenaue Hilfe. Sie muss ihre Sachen aus ihrer früheren Wohnung holen – ohne dabei ihrem gewalttätigen Ex-Mann gegenüberzutreten. Nachdem Helena sich von ihm getrennt hatte, verfolgte er sie in ihre neue Wohnung und terrorisierte sie, warf z.B. ihre Fensterscheiben ein. Eine weitere Kollegin begleitet Mona zu einem Anwalt, wo sie juristisch zum Sorgerechtsfall um ihre Tochter beraten wird.
Nicht vergessen darf man die Kinder, die mit ihren Müttern im Frauenhaus leben. Auch für sie ist es eine besondere Situation: Sie mussten ebenfalls ihr gewohntes Zuhause verlassen, einige mussten zudem mitten im Schuljahr die Schule wechseln. Keine einfache Situation, insbesondere wenn es Mama gerade auch nicht gut geht. Am Nachmittag begleite ich die Erzieherin zur Schule, wo sie die Kinder abholt. Danach geht es direkt auf den Spielboden, wo es Zitronenkuchen und Luftballontiere gibt. Das Spielen erleichtert Vieles.
Als der Tag zu Ende geht, bin ich emotional ganz schön erschöpft. Denn auch wenn die Namen der Frauen in diesem Artikel geändert sind, sind ihre Geschichten wahr. Sie sind geradezu haarsträubend. Ich bin wirklich dankbar, dass es das Frauenhaus und die Kolleginnen dort gibt. Im Frauenhaus bekommen Frauen wie Alina, Helena und Mona genau die Hilfe, die sie benötigen: parteilich und ganz individuell auf die persönliche Situation zugeschnitten ist. 1.000 Dank an alle, die diese Hilfe ermöglichen.