Anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen veröffentlicht die Münsteraner Volkszeitung eine Artikelreihe, in der sich verschiedene Hilfseinrichtungen für gewaltbetroffene Frauen vorstellen. Heute, am Dienstag, den 26. November 2024, stellt Jana Bida, Kollegin der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen, die Beratungsstelle vor.
Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen und uns einen Überblick über Ihre Aufgaben in der Beratungsstelle geben?
Mein Name ist Jana Bida und ich bin Mitarbeiterin der Frauenberatungsstelle der Diakonie WesT e.V.. Die Frauenberatungsstelle ist kreisweit tätig und somit für alle Frauen zuständig, die von Gewalt betroffen (gewesen) sind. Meine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Arbeit mit Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, sowie in der Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit. Da sich die Gewaltformen oft überschneiden, berate ich regelmäßig auch Frauen, die neben sexualisierter Gewalt auch häusliche Gewalt erlebt haben.
Wie hilft Ihre Beratungsstelle den betroffenen Frauen, ihre Sicherheit zu gewährleisten und erste Schritte einzuleiten?
Wir unterstützen Frauen, die von (häuslicher) Gewalt betroffen sind, mit einer Vielzahl von Maßnahmen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Wir bieten vertrauliche Beratung, helfen bei der Gefährdungseinschätzung und entwickeln gemeinsam mit den betroffenen Frauen Sicherheitspläne. Bei Bedarf vermitteln wir Frauen in Schutzunterkünfte wie Frauenhäuser. Außerdem informieren wir die Frauen über ihre Rechte, wie z.B. Schutzanordnungen oder das Nebenklagerecht bei schweren Straftaten. Wir arbeiten eng mit dem Opferschutz der Kreispolizeibehörde und anderen sozialen Diensten zusammen, um eine umfassende Unterstützung zu gewährleisten. Wir leisten sowohl kurzfristige Hilfe als auch langfristige Begleitung, um Frauen zu einem gewaltfreien Leben zu verhelfen. Darüber hinaus engagieren wir uns in der Prävention und Aufklärung, um häusliche Gewalt langfristig zu bekämpfen.
Welche Langzeitfolgen hat Gewalt für die betroffenen Frauen und wie zeigen sich diese in der Beratung?
In der Beratung von gewaltbetroffenen Frauen zeigen sich die Langzeitfolgen häufig in emotionalen, psychischen und sozialen Symptomen. Betroffene Frauen zeigen häufig Anzeichen von Ängsten, Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), z.B. in Form von Flashbacks, Schlafstörungen oder intensiven Ohnmachtsgefühlen. Sie können auch ein geringes Selbstwertgefühl, Schamgefühle oder Schuldgefühle äußern. Auch Verhaltensauffälligkeiten wie Suchtverhalten oder Suizidgedanken deuten auf eine tiefgreifende Traumatisierung hin. In der Beratung äußern sich diese Folgen häufig durch Schwierigkeiten, Vertrauen zu fassen, wiederkehrende Isolation oder das Festhalten an destruktiven Beziehungsmustern. Auch berufliche Unsicherheit und finanzielle Abhängigkeit können Themen sein. Die Beratung sollte einfühlsam und unterstützend sein, um den Weg zur Selbstbestimmung zu ebnen.
Mit welchen Mythen zum Thema Gewalt gegen Frauen möchten Sie aufräumen?
Es gibt viele Mythen zum Thema Gewalt gegen Frauen (Gewalt gegen Frauen ist Privatsache; betrifft nur bestimmte soziale Schichten oder ethnische Gruppen; Frauen können gehen, wenn sie wollen; Gewalt entsteht im Affekt; Frauen provozieren (sexualisierte) Gewalt; Gewalt ist immer körperlich, etc.). Ich werde mich auf den Mythos „Frauen können gehen, wenn sie wollen“ konzentrieren: Diese Annahme ignoriert die komplexen Faktoren wie emotionale Manipulation, finanzielle Abhängigkeit, Angst vor Vergeltung, Sorge um die Kinder, mangelnde Unterstützung und soziale Isolation, die eine Trennung erschweren. Frauen benötigen stattdessen umfassenden Schutz, klare rechtliche Maßnahmen gegen den Täter und Aufklärung, um Gewalt präventiv entgegenzuwirken und Unterstützung ohne Stigmatisierung zu gewährleisten.